Rezensionen

„Unter den Strahlen des Sonnenkönigs“

 Alte Musik mit dem Trio Adeste in der Stiftskirche Ebersdorf am 11. August 2024

 

Bei vielen Musikfreunden bekannt und beliebt: Das sommerliche Konzert des Chemnitzer Musikvereins mit Alter Musik in der wundervollen Stiftskirche Ebersdorf. Was allerdings diesmal im Rahmen der 700-Jahrfeier von Chemnitz-Ebersdorf zu erleben war, übertraf alle Erwartungen. Schon, dass die „Freie Presse“ in ihrer Wochenendausgabe ein einladend großes Foto vom faszinierenden Kircheninneren abdruckte, durfte vorweg als Überraschung gelten. Nach dem Betreten des Gotteshauses setzte sich dieser Eindruck fort durch eine Ende Juni eröffnete frappierende Ausstellung “EBERSDORF, wie Sie es noch nicht gesehen haben!”. Als Vertreterin der Kirchgemeinde erläuterte Irmtraud Weiß vor Konzertbeginn dankenswerterweise, dass hier 136 Exponate vom Verein „Unser Ebersdorf“ zusammengestellt sind, bewusst nicht mit Fotos, sondern künstlerisch gezeichnet, gemalt, gedruckt, gestickt oder geschnitzt. Zudem liegt jetzt ein außerordentlich aufschlussreiches, kostenloses neues Heft über die Stiftskirche bereit, das maßgeblich von Pfarrer i. R. Horst Oertel gestaltet ist.

 

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            Als die drei jungen Musikerinnen aus dem Dresdner Raum, Adéla Drechsel (Barockvioline), Ulla Hoffmann (Viola da gamba) und Claudia Pätzold (Cembalo) noch ihre besonders empfindsamen Instrumente stimmten, verriet ein kurzer Rundblick in den Raum, dass sich über einhundert Zuhörerinnen und Zuhörer eingefunden hatten, wohl ein Besucherrekord für diese traditionsreiche Kammermusikveranstaltung.

 

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Bereits mit dem ersten Werk des berühmten französischen Komponisten François Couperin entfaltete die Musik eine Strahlkraft, Lebensfreude und Eleganz, die an den Sonnenkönig Ludwig XIV. erinnern mochte, aber auch den Kunstwerken des Altarraums erstaunlich verwandt erscheinen konnte. Ein damit verbundenes Gemeinschaftsgefühl betonten auch die musikalischen Strukturen gerade dadurch, dass Motiv-Imitationen reizvoll zwischen den Stimmen pendelten und der Generalbass spürbar das vorrangig melodische Geschehen trug. Besonders deutlich wurde das bei zwei Stücken anderer Komponisten, die der Barockvioline höchst bezaubernde Passagen hervorlockten und die Viola da gamba durch sagenhafte Tempi bis an den Rand der Spielbarkeit führten. Gewissermaßen als Zeichen der Dankbarkeit für die einfühlsame Begleitung durfte die Cembalistin mit einem Solo-Stück über „Die verliebte Nachtigall“ von Couperin ihrerseits besonderen Applaus empfangen, der sich bis zum heiteren Schluss wiederholte, sicher aber ebenso den verbalen Hinweisen des Trios galt.

Text und Fotos: Christoph Sramek

Arno Lücker zum Thema „250 Komponistinnen. Frauen schreiben Musikgeschichte“

Vortrag mit Buchvorstellung am 1. Juli 2024 im Saal der Stadtbibliothek des TIETZ

 

Der Pianist, Musikwissenschaftler und Komponist Arno Lücker tourt gegenwärtig als Entertainer durch unser Land, um sein 2023 im Berliner Aufbau-Verlag herausgegebenes Buch einem großen Kreis von Musikliebhabern vorzustellen. Die Veröffentlichung mit 648 Seiten bietet Kurzporträts komponierender Frauen vom ausgehenden 18. Jahrhundert bis in die Gegenwart. Von Oktober 2019 bis Juli 2023 hatte der Referent für das Magazin VAN wöchentlich je eine der Komponistinnen mit jeweils einem charakteristischen Werk vorgestellt, ehe nun das aufschlussreiche Kompendium erschien.

 

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 Foto: Christoph Sramek

 

Der erfreulich geschickt und kurzweilig formulierende Autor trug zahlreiche Beiträge über ausschließlich unbekannte Tonsetzerinnen vor und gab am Klavier betont heitere, eingängige Kostproben von deren Musik. Mit Josepha Auernhammer, einer ehemaligen Schülerin von Wolfgang Amadeus Mozart, waren deren elegante Reflexionen auf „Der Vogelfänger bin ich ja“ aus der „Zauberflöte“ zu erleben, während von Chinquinha Gonzaga, der Erfinderin des ersten brasilianischen Karnevalsmarsches, eine tangoartige Komposition zu Gehör kam. Großen Anklang der Besucher fanden darüber hinaus auch Klavierstücke wie ein Ragtime von May Aufderheide sowie ein Werk von Liza Lehmann, deren Mutter – Ein seltener Fall! – ebenfalls Komponistin war. Dafür gab es viel Beifall nach den zumeist auswendig und stets höchst virtuos vorgetragenen Hörbeispielen sowie auch am Ende der attraktiven Veranstaltung, die in Kooperation mit der Stadtbibliothek Chemnitz stattfand.

Christoph Sramek

Konzert mit Buchpräsentation am 9. Juni 2024

Am 9. Juni fand in der Städtischen Musikschule Chemnitz das jährliche Konzert ehemaliger Schüler statt. Dazu gab es auch einen besonderen Anlass: die Buchvorstellung "Hans Lichtenstein – Der jüdische Weg und die Weggefährten eines Chemnitzer Musikers" von Autorin Sabine Lichtenstein und Herausgeber Christoph Sramek. Das Buch beleuchtet das Leben und Schaffen von Sabine Lichtensteins Vater, Hans Lichtenstein. Begleitet wurde die Vorstellung von einem Konzert des „Percaso String Quartet“, zu dem auch Clara Henriette Dietze, eine ehemalige Schülerin der Musikschule, gehört. Das Quartett spielte drei Stücke zeitgenössischer Musik und begeisterte damit das Publikum                                                                                                                                            Alex Lingath

 

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Percaso String Quartet  (Foto: Andreas Winkler)

 

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Nach der Buchübergabe (v.r.n.l.): Dr. Sabine Lichtenstein, Babette Lichtenstein, Andreas Winkler (Foto: Esther Winkler)

Zum Tagesausflug des Chemnitzer Musikvereins nach Halle am 26.05.2024

 

In diesem Jahr ging es nach Halle, der Geburtsstadt von Georg Friedrich Händel. „Wir treffen uns sehr früh, kommen aber spät wieder nach Chemnitz, lange Wege zu Fuß in Halle, schaffen wir das?“ Diese oder ähnliche Gedanken beschäftigten unsere Reiseorganisatorin Evelyn Kluge von früh an. Es hat aber alles sehr gut geklappt, liebe Evelyn. Danke, Danke, Danke!

 Nach der Ankunft in Halle ging es in das Händel-Haus und Musikmuseum der Stadt. Das Geburtshaus von Georg Friedrich Händel steht in Halle seit dem 16. Jahr­hundert. Wir trotzten den gefühlt unendlich vielen Stufen innerhalb des Hauses und wurden mit einem lebendigen und interessanten Exkurs in die Geschichte der Händel-Familie und des tüchtigen Geschäftsmanns und genialen Komponisten belohnt.

 

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 Halle - vor dem Händelhaus                                                                                 Foto: Andreas Winkler

 

Nach einer Erholung von den vielen Stufen stand die nächste Herausforderung vor uns: die dreistündige Aufführung des Händel-Oratoriums „Athalia“ in der Konzerthalle Ulrichskirche.

Dank der guten Erklärungen mit Lesematerial von unserem Prof. Christoph Sramek waren wir schon auf das Ereignis vorbereitet. Das Programmheft machte es einfach, dem Gesang in Englisch zu folgen, und durch die deutsche Übersetzung wurde die Geschichte aus dem Alten Testament noch verständlicher.

 

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Halle - vor der Marktkirche                                                                                Foto: Andreas Winkler

 

 Die Symbiose von Solistenstimmen, Chor und Orchester war ein echtes Erlebnis.

Von leichten, fast volksnahen Melodien, über den Ausdruck der Ängste und des Verrats bis zu einer starken pathetischen Freude und einem großen Gottesglaube - die Komposition von Händel entfaltete eine ganze Palette von Gefühlen und erreichte jeden von uns.

Die Reise hat mir viele neue Erkenntnisse und Eindrücke gebracht. Toll!

Jelena Hoffmann

 „Hauptsache Musik!“ zum zweiten Mal, am 14. April 2024

 

   Konzertmeisterin Heidrun Sandmann hielt ihr Wort, als sie bei der ersten  gemeinsamen Veranstaltung der Robert-Schumann-Philharmonie und des Chemnitzer Musikvereins e.V. im Oktober vergangenen Jahres eine Fortsetzung noch in dieser Spielzeit versprach. Diesmal hatte sie ins Rangfoyer des Opernhauses die beiden Posaunisten Danilo Koban und Adrian Wehle mitgebracht, die auf besonders heitere Weise über ihre enorme Spiel­freude, aber auch die herausfordernd höchste Leistungsbereitschaft erzählten und  diese Haltung natürlich auf ihren Instrumenten vorführten.

 

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   Zur Eröffnung stellten die beiden noch relativ jungen Musiker eine Sonata a-Moll  des niederländischen Komponisten Willem de Fesch (1687-1761) vor. Dabei ließen  sie erahnen, wie vertraut die beiden Blechbläser miteinander umgehen. Im  folgenden Gespräch stellte sich heraus, dass beide aus dem ostsächsischen Raum  stammen, sich schon lange kennen und mit Bernhard Ziesch sowie Olaf Krumpfer  sogar die gleichen, einflussreichen Lehrer hatten.

   Nach einem weiteren Ständchen mit einem feurigen Stück des amerikanischen  Jazzmusikers Michael Davis (*1961) demonstrierten sie, welche technischen  Schwierigkeiten auf ihrem Instrument zu meistern sind, von der flexiblen Atmung,  über die höchst diffizile Lippenspannung bis zum genau zu treffenden Zug. Darüber  hinaus zeigten sie, welche erstaunlich anderen Anforderungen mit einer Barock­posaune und einer Posaune aus Plastik verbunden sind.

   Mitunter fast unlösbar kann das Zusammenspiel im Orchester erscheinen, wenn ein genau kommender neuer Einsatz nach einer langen Pause im Vergleich etwa zu den Streichern erfolgen soll. Diese Schwierigkeit gab es am Schluss nicht, denn mit  dem urmusikantischen „Devil’s Waltz“ wurde ein Werk des Belgiers Steven Verhelst  (*1981) vorgestellt, der selbst zu den bekanntesten zeitgenössischen Posaunisten  gehört. Der begeisterte Applaus rundete dieses schöne Gesprächskonzert und ließ  die Frage aufkommen, wer im Herbst so nahe und hintergründig von den  Chemnitzer Musikern zu erleben sein wird.

Text und Foto: Christoph Sramek