Ein Leben für die Musik.

Tief berührendes Schicksal eines Chemnitzer Juden in der NS-Zeit

Zum Vortrag von Dr. Sabine Lichtenstein:

Der Chemnitzer Musiker Hans Lichtenstein; seine Entwicklung und seine Weggefährten.

Nicht enden wollenden Beifall erhielt die international bekannte niederländische Musikwissenschaftlerin Dr. Sabine Lichtenstein am Ende Ihres gut besuchten Vortrags über das schwere Schicksal ihres in Chemnitz aufgewachsenen Vaters Hans Lichtenstein (1905 – 1994). Begleitet von außerordentlich authentisch wirkenden Fotos aus dem ehemaligen, hauptsächlich von Musik geprägten Umfeld ihres Vaters gab sie einen Überblick über dessen Leben und Werk. Dabei erklangen immer wieder eindrucksvolle Ausschnitte von historischen Aufnahmen, die die jeweilige biografische Situation erstaunlich nahe brachten.

Um die enorm große Liebe Hans Lichtensteins zur Musik von Anfang an zum Tragen zu bringen, spielte der junge Cellist Matthias Wagner, Schüler der Städtischen Musikschule Chemnitz, zur Einstimmung das anspruchsvolle Solo aus Max Bruchs „Kol Nidrei d-Moll für Violoncello mit Orchester und Harfe nach hebräischen Melodien op. 47“ auswendig, mit faszinierender Ausdruckskraft.

2023 05 sabine lichtenstein

                                                                        Foto: Elisabeth Beelaerts

Daran knüpfte die Referentin an durch Hinweise auf öffentliche Auftritte ihres Vaters als zehnjähriger Knabensopran, auf seine unentgeltliche Arbeit am Chemnitzer Opernhaus sowie auf sein Studium am Leipziger Konservatorium. Anschließend wirkte er hauptsächlich als Korrepetitor, Orchesterleiter und Komponist von Schauspielmusiken an mehreren namhaften deutschen Musikstätten, mit bemerkenswerter Würdigung etwa durch Richard Strauss und Richard Tauber, ehe er 1933 wegen seiner jüdischen Herkunft aus dem Operettenhaus in Hamburg entlassen wurde und in die Niederlande floh. 1942 musste er hier untertauchen, nachdem er den Deportationsbefehl erhalten hatte. – Sein Vater Oscar hingegen blieb in Chemnitz, wurde im gleichen Jahr in das KZ Theresienstadt verschleppt und verhungerte dort nach wenigen Monaten. –

Welch enormen Herausforderungen ein Mensch fern seiner Heimat, fern seiner Muttersprache sowie vieler seiner Verwandten ausgesetzt war, kam aber auch in seiner bewundernswerten Energie nach dem II. Weltkrieg zum Ausdruck und rundete das Bild eines tief berührenden, erschütternden Schicksals eines Chemnitzer Juden, bedingt durch die kaum vorstellbar verbrecherische NS-Zeit.

(Vergleiche auch https://www.lexm.uni-hamburg.de/object/lexm_lexmperson_00007289.)

[CS]