Dieses, von Haydn 1796/98 komponierte, Oratorium für Soli, Chor und Orchester (Textdichter: Gottfried van Swieten) war in Dresden sehr lange nicht mehr zu hören. Wie groß das Interesse an diesem Werk aber immer noch und immer wieder ist, bewies der gute Besuch dieser Aufführung.

  Bereits die feine Tongebung der ersten Takte der Einleitung rief einen „heiligen Schauder“ hervor. Janowski orientierte zwar auch auf starke Kontraste, setzte sie aber stets im Dienste der Komposition ein, wie bei der Schilderung des „Chaos“ zu Beginn, die der Erschaffung des Lichts vorausgeht, wo mitten in das düstere, leise Grollen der Musik das Orchester zu den Worten „Es werde Licht!“ urplötzlich in voller Lautstärke hereinbricht.

  Dieses Oratorium beeindruckt immer wieder, in großer wie kleinerer Besetzung, und verfehlt seine Wirkung nie. Janowski hatte die Aufführung – wie es sich hier anbot - groß angelegt, und gestaltete sie aus fast sinfonischer Sicht, mit sehr guter Tempowahl und schöner Transparenz.

  Der zahlenmäßig große, sehr variabel einsetzbare, leistungsstarke MDR-Rundfunkchor (Einstudierung: Sebastian Breuning), der mit sehr guter Textverständlichkeit aufwartete und auch in raschem Tempo minutiös reagieren konnte, sowie die ebenfalls sehr leistungsfähige, klangschön und konform musizierende Philharmonie, die unter anderem auch mit schönen Instrumentalsoli von Flöte und Fagott die Aufführung bereicherte, waren zwei sehr zuverlässige Grundpfeiler, auf die sich Janowski voll und ganz verlassen konnte und die seine Intentionen sofort und zuverlässig reflektierten. Da genügte eine sehr ruhige Zeichengebung seinerseits. Er hatte den großen Überblick, koordinierte und formte den großen Aufführungsapparat zu einem eindrucksvollen Ganzen. Die Einsätze funktionierten minutiös. Alle Ausführenden befanden sich auf gleicher „Wellenlänge“.

  Die drei Solisten brachten sich mit großem Engagement ein. Mit sehr guter, allgemein leider schon selten gewordener Textverständlichkeit, angenehmer Stimme und sehr guter Gestaltung widmete sich Benjamin Bruns (leider nicht immer ganz intonationssicher) der Tenorpartie (Uriel).

  Christiane Karg überzeugte mit der Sopranpartie (Gabriel, Eva). Sie beherrschte ihren Part, fügte sich mit zuverlässiger Stimme (wenn auch nicht ohne Schärfen und mit wenig Textverständlichkeit) kongenial in das Gesamt-Konzept ein, bewältigte die anspruchsvollen, fast opernhaften Arien im dritten Teil und kam auch bei den lautstärkeintensiveren Passagen über Chor und Orchester. Sie verlieh den Ensembleszenen den erforderlichen Stimmglanz und sorgte im Duett mit Tareq Nazmi für die erforderliche Harmonie.

  Tareq Nazmi (Raphael, Adam) beeindruckte zunächst mit seinem schlanken (gutturalen) Bass und guter Tiefe bei seinem ersten Rezitativ, vermochte sich jedoch im Verlauf des Abends kaum mehr zu steigern.

  Haydns Musik ließ in jeder Phase Chor, Orchester und Solostimmen, einschließlich der vier Chorsolisten (Katharina Kunz, Sopran, Manja Raschka, Alt, Falk Hoffmann, Tenor, Felix Plock, Bass), gut zur Geltung kommen. Sie zog nicht nur das Publikum, sondern auch die Ausführenden in ihren Bann, die sich in diese musikalische Welt mit hineinnehmen ließen, so dass die groß angelegte Aufführung die Erwartungen erfüllte und einen sehr guten Gesamteindruck hinterließ.

Ingrid Gerk in: "NEUEN MERKER" (10.7.2022)

Großen Dank an die Autorin für die Übernahmeerlaubnis!