Musikalische Ehre für Morgners Mensch

 

Zwei bewegende, ganz verschiedene Uraufführungen Chemnitzer Künstler krönten das sehr gut besuchte Kaleidoskopkonzert an der Städtischen Musikschule Chemnitz

VON MATTHIAS ZWARG

artikelfoto von matthias zwarg  Foto: Matthias Zwarg

Michael Morgner (rechts) war sichtlich gerührt nach der Aufführung der Komposition "Ecce Homo" von Thomas Stöß im bis auf den letzten Platz gefüllten Saal der Musikschule.

 

Es ist nicht so häufig, dass zeitgenössische Komponisten Aufträge für Kompositionen bekommen, schon gar nicht in Chemnitz. Es ist auch nicht selbstverständlich, dass deren Uraufführungen so gut besucht sind wie am Samstagabend in der Musikschule. Es ist ebenso ungewöhnlich, dass die modernen Kompositionen so begeistert aufgenommen werden.

  ,,Ecce Homo“, ,,siehe, der Mensch, heißt eine ganze Reihe von Werken des Künstlers Michael Morgner, der sich anlässlich seines 80. Geburtstages in diesem Jahr großer Aufmerksamkeit und Anerken­nung erfreuen kann. Eine der schönsten Würdigungen dürfte die Auftragskomposition ,,Ecce Homo“ des Chemnitzer Komponisten Thomas Stöß für ein Kammerensemble zu einem Bild gleichen Titels aus dem Jahr 1993 sein. Wie Michael Morgner in seinem Bild, gelingt es Thomas Stöß in seinem zehnminütigen Werk Menschen- und Schöpfungsgeschichte in so berührende wie aufrüttelnde Klänge zu fassen. Es beginnt verhalten, gleichwohl hoffnungsvoll. Ungewöhnliche Instrumentierung (Flöte: Angelika Fritzsching, Englisch Horn: Ilka Stöß, Bassklarinette: Uwe Fritzsching, Schlagwerk: Özlem Pfante, Klavier: Gabriele Ratzmann, Violine: Andreas Winkler, Viola: Juliane Kunath, Violoncello: Tilman Trüdinger) lässt ahnen, welchen Konflikten und Angriffen der Mensch und seine Menschlichkeit ausgesetzt sind. Dazwischen winzige, leuchtende Hoffnungsfunken, mühsam erkämpfte Momente der Harmonie, der vorsichtige aufrechte Gang, dem ein Marsch in die Quere kommt. Die assoziationsreiche, dynamische Komposition erhielt langen Applaus. Michael Morgner war wohl ausgesprochen gerührt, als er sich dann beim Komponisten bedankte.

  Ebenso positiv wurde die zweite Uraufführung des Abends aufgenommen: eine Videoarbeit von Frank Maibier mit dem Titel „Wasser der Stadt“, zu der Schlagzeuger Toni Müller improvisierte. Mit minimalistischen Mitteln hat Frank Maibier das sich mal mehr, mal weniger bewegende Wasser an einem großen Brunnen der Stadt gefilmt, das in vielen Farben oszilliert, mal Stillstand und mal Bewegung verheißt, mal wie Feuer glüht, immer aber ein Quell des Lebens ist. Dazu spielt Toni Müller sanft, kämpft sich von Gongs und Becken zu den Trommeln vor, behutsam und meditativ. Bilder und Klänge, die Momente der Stille und des Innehaltens erzeugen. Auch dafür gab es viel Applaus.

  Von dem Musikwissenschaftler Christoph Sramek kenntnisreich durch das Konzert geführt, erklangen zudem eine weitere, schon etwas ältere Komposition von Tho­mas Stöß und das Gitarrenquartett Opals des Australiers Phillip Houghton, das sich die Gitarrenleh­rer der Musikschule Tatjana Belkovitch, Ollipekka Määttä, Janis Neteler und Stefan Scherf selbst ausge­sucht hatten. Die wunderbare ruhi­ge, anspruchsvolle Komposition fasst den glänzenden Edelstein in funkelnden Vielklang. Wie alle Werke des Abends spielten Pädagoginnen und Pädagogen der Musikschule auch die Suite für Klaviertrio nach Ettore Scolas Film „Le Bal” von Thomas Stöß, die 2016 uraufgeführt wurde. Der Film kommt ganz ohne Worte aus, stellt Lebenssituationen vor verschiedenen historischen Hintergründen nur mit Musik und Tanzbewegungen dar. Dies griff Stöß in seiner Komposition auf und gestaltete Szenen zwischen tiefer Trauer und bewegt-verspielter, immer aber auch dissonant gefährdeter Lebensfreude. Ulrike Wächtler (Violine), Annegret Müller (Violoncello) und Gabriele Ratzmann (Klavier) interpretierten die Suite ein­fühlsam und facettenreich.

  So war das gemeinsam mit dem Chemnitzer Musikverein organisierte Konzert nicht nur ein wunder­bares Geburtstagsgeschenk an den musikliebenden Michael Morgner, sondern auch ein überzeugender Beweis für die Qualität und Attraktivität der Chemnitzer Musikschule.

 

Text und Foto wurden der FREIEN PRESSE (Lokalteil Chemnitzer Zeitung) vom 26.September 2022 mit freundlicher Genehmigung der Chefredaktion entnommen.